Richard Franz Puschke war der jüngste Sohn des Steinorters Lehrers Friedrich Puschke und seiner Frau Louise, die beide ebenfalls auf dem gleichen Friedhof beigesetzt wurden. Beim Tod des Vaters 1874 folgte Richard diesem, gerade einmal zwanzig Jahre alt, als Dorflehrer in Groß Steinort nach. Auf diesem Posten blieb er bis zu seiner Pensionierung 1920.[1]
Richard Puschke scheint ein vielseitig engagierter Mann gewesen zu sein. Der Verweis auf Psalm Timotheus 4,7 auf seinem Grabkreuz deutet das mit rückblickender Genugtuung an. Der Psalm lautet: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.“ Sein Engagement nahm mehrere Formen an.
Wie die meisten Lehrer seiner Zeit war Richard Puschke ein national denkender Mensch. Das stellte er beim 25jährigen Jubiläum der Thronbesteigung von Kaiser Wilhelm II. 1913 unter Beweis, als er den versammelten Schülern aus Groß Steinort, Rosengarten, Taberlack und Stawisken nach einer Besichtigung des Friedhofs und Lehndorff-Mausoleums eine patriotische Ansprache „zur Würdigung des Tages“ hielt.
Vor allem aber frönte er bei dieser wie sonstigen Gelegenheiten einer anderen Leidenschaft, nämlich seiner Begeisterung für die lokale Geschichte. So zeigte er den Schülern zunächst im Steinorter See die Reste eines dort im 16. Jahrhundert versunkenen Hauses, angeblich des ersten des Ortes. Danach führte er sie in die Gruft der Lehndorffs; anschließend durch den Schlosspark von Steinort, wo er die Tour immer wieder mit Erklärungen zu dort stehenden Sandsteinfiguren, Tonvasen, Inschriften und der 1765 hergestellten Sonnenuhr unterbrach; und am Ende präsentierte er den Schülern noch historische Möbel und Gobelins im Schloss selbst.[2]
1919 stöberte Richard Puschke für den Grafen Carol Meinhard von Lehndorff offenbar in Archiven nach alten Urkunden, um historische Besitzrechte zu belegen.[3] Mit dem Grafen scheint ihn, darf man einer Anekdote glauben, eine „echte, herzliche Freundschaft“ verbunden zu haben. Diese soll eine besondere Qualität gewonnen haben nach einer Schulvisitation, die der Graf eines Tages in der Steinorter Schule vornahm. Zwar kam bei diesem Unterrichtsbesuch durch die unbedachte Äußerung eines Schülers heraus, dass der Lehrer eine Flasche mit Kartoffelschnaps in seinem Pult aufbewahrte. Den Grafen störte das allerdings nicht, im Gegenteil – war er doch selbst einem guten Tropfen nur allzu zugeneigt. Die Visitation soll jedenfalls erst recht den Beginn einer besonders engen Beziehung zwischen dem Grafen und dem Schullehrer markiert haben.[4]
Möglicherweise bezieht diese Anekdote sich aber auch auf Richards Sohn Richard Alexander, der nach ihm die Schule von Groß Steinort übernahm. 1879 hatte Richard in Groß Steinort Therese Marie David geheiratet, die 19 Jahre alte Tochter des Lehndorffschen Schloßgärtners Samuel David und dessen Frau Charlotte.[5] Auch Richards Schwiegereltern liegen auf dem Friedhof von Groß Steinort begraben. Gemeinsam hatten Therese und Richard fünf Kinder.
Der ältere der beiden Söhne Richard Puschkes, der nach dem Vater benannte 1883 geborene Richard Alexander, wurde wie dieser und sein Großvater Friedrich ebenfalls Lehrer. Er legte 1903 und 1906 seine Examensprüfungen in Angerburg und Osterode ab, nahm am Ersten Weltkrieg teil und übernahm schließlich 1921 in Nachfolge seines Vaters und mittlerweile mindestens dritter Generation die Schule in Groß Steinort. Dort erfreute er sich einer „guten Dienstwohnung“ mit vier beheizbaren Zimmern. Er starb 1935.[11]
Noch wenigstens ein anderer Puschke komplettierte die Lehrer-Dynastie: Heinrich Richard Puschke, als Rektor von 1905 bis 1938 Chef der mit drei Lehrerstellen ausgestatteten Dorfschule in Rosengarten, wo er im Nebenberuf auch die Orgel in der direkt gegenüber der Schule gelegenen Kirche spielte. 1876 geboren, war er wohl ein Neffe von Richard Franz und Vetter von Richard Alexander. Er heiratete Gertrud geborene Szimmat und hatte mit ihr drei Kinder, von denen ein Sohn jedoch schon als Kleinkind starb. Auch er lebte bis zu seiner Pensionierung in einer „guten“ Dienstwohnung mit vier beheizbaren Zimmern, dann baute er in Rosengarten ein großes Haus mit Garten und Ställen. Er starb Ende 1944. Seine Frau und die Kinder Eva und Hans Albert zogen nach Hamburg. Dort hatte zumindest Hans Albert Puschke das Glück, dem für Vertriebene oft üblichen sozialen Abstieg zu entkommen und im Hamburger Stadtteil Wandsbek als Pastor Fuß fassen zu können.[12]
[1] https://lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_gz4_j3n_g3b (Anmerkung)
[2] https://lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_gz4_j3n_g3b&datum=&searchTerms=Puschke
[3] Gaby Huch, Die Lehndorffs, Berlin 2020, S. 342.
[4] Klaus Klootboom-Klootweitschen, Der Carol, Reinbek 1978, S. 48f. Die meisten der Namen im Buch sind verschlüsselt: So ist statt Steinort von Eichenort die Rede, die Lehndorffs heißen Sassenburg, und die Puschkes Paschke.
[6] https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I62922&lang=de
https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I57516&nachname=Noetzel&lang=de
[7] https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I63204&lang=de
https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I41464&nachname=Kreutz&lang=de
https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I41475&lang=de
[8] Bundesarchiv Lastenausgleichsarchiv Bayreuth, OstDok 3/31, Bl. 86, 120, 124 (danach wurde Paul Kreuz angeblich „von Polen erschlagen, weil er Jagd ausgeübt und Waffen besass“).
[9] https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I62755&lang=de
https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I62748&lang=de
[11] https://archivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/image.xhtml?id=2fd8e5a9-b06e-45d8-9722-f82f45dc884d
https://ofb.genealogy.net/namelist.php?nachname=SZIMMAT&ofb=rosengarten&modus=&lang=de
https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I63250&lang=de
Des Lehrers Auskunftsbuch: Statistisches Nachschlagewerk über die öffentlichen evangelischen und katholischen Volksschulen der Ostmark, Bearb. J. Bleise, 1925, S. 15. Bei Klootboom-Klootweitschen, Der Carol, Reinbek 1978, S. 48 heißt es, es seien sogar vier Generationen Puschkes nacheinander in Groß Steinort Lehrer gewesen. Klara Karasch meinte sich nach 1945 zu erinnern, die Puschkes hätten „schon seit mehreren Generationen“ die Lehrer dort gestellt (https://lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_nwv_3cn_g3b&datum=&searchTerms=puschke ).
[12] Bundesarchiv Lastenausgleichsarchiv Bayreuth, ZLA/1/12323410; Des Lehrers Auskunftsbuch: Statistisches Nachschlagewerk über die öffentlichen evangelischen und katholischen Volksschulen der Ostmark, Bearb. J. Bleise, 1925, S. 15; https://archivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/image.xhtml?id=ffae646e-31f5-49bc-b527-d6826b4b72b7
https://ofb.genealogy.net/famreport.php?ofb=rosengarten&ID=2-I63243&lang=de
https://lebenswelten-lehndorff.bbaw.de/dokumente/detail_doc.xql?id=lehndorff_gz4_j3n_g3b&datum=&searchTerms=Puschke (Anmerkung).